April 2022. Ensemble Proton. Werke von Oxana Omelchuk, Hannes Seidl, Steffen Krebber und Arturo Corrales.
Das erste grössere Projekt nach der Mutterschaftspause beschert mir gleich mehrere besondere Freuden: Nicht nur kitzeln die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen, nein, ich verbringe auch eine Woche auf dem Land mit Musik, die nicht ganz mit der idyllischen Umgebung verschmelzen will (Stichwort „Uraufführungen“), ich lerne tolle Musiker:innen und Komponist:innen kennen und treffe auf geschätzte Altbekannte. Oben aufgeführte Komponist:innen waren sorgsam ausgewählt worden, Werke mit Bezug zur Rockmusik für ein zeitgenössisches Ensemble zu schreiben. Jetzt könnte man klönen, wie das denn wohl gehen soll, so durchakademisierter Neue-Musik-Pseudorock. Ich kann nur selbst staunend sagen: Es geht - und es war sogar ein Genuss!
Ein Dorf im Bernischen, stadtnah und so ruhig, dass man kaum Kühe hört, dafür Autos, die wieder und wieder und wieder um Kreisel kurven, auf und ab fahren, den Bau der Durchgangsstrasse eifrig rechtfertigend. Ein Schloss mit Gehöft, herrlich aufgemöbelt zu einem Kulturzentrum - „zeitlos zauberhaft“, wie in der Beschreibung zu lesen ist. Vor dem fussläufig entfernten Einkaufszentrum bildet sich morgens kurz vor 8 Uhr eine Schlange mit einkaufsentschlossenen Rentner:innen.
Im Kulturzentrum bereiten sich etwas später Musiker:innen auf die erste Probe ihres neuen Programms vor.
(Stimme aus dem Off): HARFE
Harfe (basslastig): Wummmm.uummm..mm! Krach!
Lautsprecher (pikiert): WUMMMM.UUMMMM..MM! Fiiiiiieeep! (Crescendo molto dramatico): fffffFFFFiiiiIIIIEEEEEEPPP! (Cellist, selbst unter Spannung, krabbelt her und kabelt um, Tontechniker schiebt unzählige Regler in schwer durchschaubarer Choreographie auf und ab)
(Stimme aus dem Off): nochMAL
Harfe (basslastig): Wummmm.uummm..mm! KRACH!
Lautsprecher (zufrieden): WUUUMMM.UUUUMMM..MM!!! KRAAAAACH!
Ich bin begeistert.
(Stimme aus dem Off): Gut, Schlagzeug bitte. Das dauert länger.
Alle Musiker:innen ab, Harfenistin wankt benebelt.
Einen solchen Harfenwumms hatte ich noch nie erlebt. Vorweg: Ich liebe analoge Musik, es gibt für mich nichts Unmittelbareres, nichts Berührenderes als die direkte Übertragung und Erzeugung von Klang. Steht eine Musikerin mit ihrem Instrument auf der Bühne und schlägt dieses an, bläst, streicht oder eben zupft es - alles wird ungefiltert wiedergegeben und vom Zuhörer aufgenommen und verarbeitet, seien es Freude, Trauer oder Nervosität, von mir aus auch Langeweile… Auf alle Fälle komplett instagramuntauglich! Aber eben: Einen solchen Harfenwumms hatte ich noch nie erlebt, was nicht nur mein primitiv-pubertäres Ich reizt und beglückt. Eine neue Welt tut sich auf. Zwar hatte ich schon erste Gehversuche mit verstärkter Harfe gemacht, hatte wenig mit Effektpedalen und mit einer kleinen Elektroharfe gearbeitet - aber in diesem Moment werde ich der Weite ungeahnter Möglichkeiten gewahr.
Nun habe ich also geschätzte 2.3 Einheiten Erfahrung im Bereich Elektroharfe. Das ist vielleicht nicht viel, aber falls ihr mal dafür schreibt, liebe Komponist:innen, oder mich in eurer Formation haben wollt, liebe Musiker:innen: Ja, bin dabei!
Comments